Newsletter Nr. 1

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser

Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe unseres Newsletters, welcher Sie zukünftig über die Aktualitäten rund um Pro Ethica informieren wird.

Dass Sie diesen Newsletter erhalten bedeutet, Sie haben Ihn trotz der noch spärlichen Informationen über unseren Think-Tank abonniert. Bis vor Kurzem befand sich unsere Webseite noch im Anfangsstadium, und kein Werbeballon schwebte für uns in der Luft. Umso mehr bedanken wir uns für Ihr Vertrauen und für Ihre Unterstützung.

Seien Sie versichert, wir haben noch immer keinen Werbeballon losgelassen, dazu besteht noch kein Bedarf. Pro Ethica benötigt dafür unbedingt aktive Mitglieder und MitarbeiterInnen um sich einen Platz in der Schweizer Ethiklandschaft zu schaffen und sich nützlich zu machen. Wenn Sie noch zögern sollten, dann hoffen wir, das untenstehende Editorial wird Sie überzeugen.

Noch davor erwarten Sie im ersten Teil die neusten Nachrichten über Pro Ethica. Ihre Reaktionen über das Format und den Inhalt dieses Newsletters sind willkommen:Kontaktieren Sie uns oder besuchen Sie unsere Leserplattform.

Wir wünschen Ihnen frohe Festtage und viel Vergnügen bei der Lektüre.

Der Vorstand


Neuste Nachrichten

Rund vier Monate sind seit der Gründung unseres Think-Tanks vergangen. Unterdessen verfügt Pro Ethica über eine gefestigte Identität und erfreut sich einer wachsenden Anzahl interessierter Personen, Mitglieder und MitarbeiterInnen. Unsere Webseite, unsere Charta, sowie unser Präsentationsdossier sind entstanden. Das Präsentationsdossier enthält detaillierte Beschreibungen unserer Projekte. Für genauere Informationen zu diesen drei Hauptprojekten verweisen wir Sie auf unser Dossier. Zusammengefasst geht es um Folgendes:

- Ethometrics: Hier wird ein Analyse- und Bewertungsmodell des moralischen Profils international tätiger Unternehmen und internationaler Organisationen entwickelt, anhand von Kriterien aus Wirtschaft, internationalem Recht, politischer Philosophie und Ethik.

- Ethoscope: Hier wird ein Netzwerk von Arbeitsgruppen zu zeitgenössischen Fragestellungen der angewandten Ethik geschaffen und koordiniert, zum Beispiel zu den verschiedenen Theorien der Ökologie, der besten Art der Integration und der Immigration, der Natur sozialer Gerechtigkeit, den ethischen Grundlagen von zivilem Ungehorsam, und der Beziehung zwischen Privatsphäre und intellektuellem Eigentum. Je nach Erfolg des Projektes wird ein elektronisches Journal entstehen.

- Humaniora: Hier wird eine Plattform zur breiten Vermittlung geschaffen, zur Erläuterung der ethischen Konzepte und Theorien sowie der Thesen und Argumente, wie sie im Lauf der Geistesgeschichte vorgekommen sind.

Alle drei Projekte befinden sich im Stadium der Arbeitsgruppenbildung. Wir sind aktiv auf der Suche nach teilnehmenden Mitgliedern und MitarbeiterInnen. Ebenso suchen wir Mitglieder, die sich in der alltäglichen Vereinsführung engagieren möchten. Jede interessierte Person wird gebeten, dieses Formular auszufüllen oder uns direkt zukontaktieren. Die praktischen Details zur Einschreibung befinden sich hier.


Editorial

Einige von Ihnen stellen sich womöglich die folgende Frage, welche auch wir uns bei der Gründung von Pro Ethica gestellt haben: Weshalb sollte man sich für einen auf dem Gebiet der Ethik aktiven Think-Tank engagieren, wenn ein Engagement für eine in Afrika tätige humanitäre Organisation vielleicht nützlicher wäre?

Diese Art Dilemma, mit dem Sie bestimmt schon konfrontiert waren, behandelt der Philosoph Peter Singer in seinem Artikel Famine, Affluence and Morality. Er zieht darin die Schlussfolgerung, dass jede Person mit der Möglichkeit, direkt zur Linderung von Armut beizutragen, eine moralische Pflicht dazu hat, beispielsweise indem sie einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens an wohltätige oder humanitäre Organisationen abgibt.

Das Argument für diese Schlussfolgerung ist das Folgende: Stellen Sie sich vor, Sie kommen auf Ihrem sonntäglichen Spaziergang an einem Weiher vorbei, in dem ein Kind am Ertrinken ist. Sie können das Kind ohne besondere Anstrengung retten; Ihr einziges Risiko besteht darin, sich die Hosen schmutzig zu machen. Ist es moralisch akzeptabel, das Kind nicht zu retten? Sicherlich nicht. Weshalb aber – so das Argument Singers – ist es moralisch akzeptabel, keine beträchtliche Spende an eine humanitäre Organisation zu machen, wenn es nicht moralisch akzeptabel ist, das Kind nicht zu retten, im Wissen darum, dass eine Spende dazu beitragen könnte, zahlreiche Opfer vor dem Hunger zu retten, ohne dass dies den geringsten Einfluss auf das eigene Wohlergehen hätte?

Nun kann man problemlos die Idee akzeptieren, wonach Wohltätigkeit etwas Gutes ist – genauer gesagt, eine Tugend – ohne aber gleichzeitig damit einverstanden zu sein, dass Wohltätigkeit eine moralische Pflicht ist. Wenn man die Idee akzeptiert, wonach das unter Beweis Stellen einer Tugend eine Pflicht ist, ist man damit einverstanden, dass man verpflichtet ist, sich eine Tugend anzueignen, sofern man die Möglichkeit dazu hat. Es ist ja nicht möglich, eine Tugend unter Beweis zu stellen, ohne sie sich vorher angeeignet zu haben. Demgegenüber scheint es aber willkürlich und zufällig, die Pflicht bezüglich der Aneignung einer Tugend – sofern man die Möglichkeit dazu hat – nur auf die Wohltätigkeit zu beschränken. Alles Willkürliche und Zufällige ist eine Instanz von Ungerechtigkeit, welche ihrerseits ein Laster ist. Die Pflicht zur Aneignung einer Tugend im Fall dass man sie sich aneignen kann muss also alle Tugenden betreffen, es sei denn, man zahlt den Preis eines vermeidbaren Lasters, was wiederum der Pflicht zur Aneignung jeder Tugend welche man sich aneignen kann widerspricht. Also ist das sich Aneignen jeder Tugend eine Pflicht, sofern man sie sich anzueignen imstande ist…

Heisst aber die Tatsache, dass man das Verpflichtende an der Wohltätigkeit bezweifeln kann, dass man auch bezweifeln kann, dass – falls das Engagement für eine wohltätige Organisation nicht zugleich mit dem Engagement für einen in Ethik aktiven Think-Tank möglich wäre – das Engagement für die wohltätige Organisation dem Think-Tank vorzuziehen ist?

Wir denken dass ja. Bei der Mitarbeit in einem Think-Tank geht es nicht darum zu verhindern, dass ein wichtiger und unveräusserlicher Wert – jener der mit dem menschlichen Leben verbunden ist – verloren wird, da die Gefahr nicht früh genug beseitigt werden konnte. Es geht vielmehr darum, zu erreichen, dass die Gefahr gar nicht erst beseitigt werden muss, also ihr zuvorzukommen. Denn nicht das Klima spielt die entscheidende Rolle in der Hungersnot in Teilen Afrikas. Vielmehr sind es von Menschen verursachte und verantwortete Übel wie Korruption, Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit. Diese Übel rühren vom Menschen her und hängen letzten Endes mit einem Mangel an moralischer Sensibilität und Rücksicht zusammen.

Gegen diesen Mangel an moralischer Sensibilität und Rücksicht kann man in der Schweiz kämpfen, langfristig, indem man diesen Kampf in einen institutionellen Rahmen einschreibt, zwischen der akademischen Welt und der Zivilgesellschaft. Indem man die Mittel der Humanwissenschaften einsetzt um unser Verständnis der ethischen Konzepte zu verbessern. Indem man diese Kenntnisse in einem der Ethik gewidmeten elektronischen Journal der Kritik aussetzt. Indem man die überzeugenden Thesen und Argumente in Arbeitsgruppen auf konkrete Fälle anwendet. Indem man Ethik klug und breit vermittelt, damit sich die breite Öffentlichkeit ein eigenes Urteil bilden kann. Indem man Pro Ethica in anderen Landesteilen bekanntmacht. Indem man an der Ausarbeitung von neuen Projekten teilnimmt. Indem man neue Mitglieder findet und neue GönnerInnen überzeugt. Indem man sich um Aufgaben der alltäglichen Führung des Vereins kümmert, welcher hinter dem Think-Tank steht.

All dies ist möglich hier und jetzt, und es ist nicht weniger nützlich als das Engagement für eine wohltätige Organisation. Und glücklicherweise sind diese beiden Dinge – auch wenn sie keine Pflicht darstellen – nicht unvereinbar.

Nächster Newsletter: Mitte Februar

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